Melanie Böhm ist vor einigen Jahren ganz einfach ihrem Gefühl gefolgt. Dieses hat sie auf direktem Weg nach Wien geführt, wo sie sich einem 3-tägigen Aufnahmeverfahren am Performing Center Austria stellte. Überglücklich und mit dem Vertrag in der Tasche fuhr sie wieder zurück ins Mühlviertel und verkündete dort stolz Familie und Freunden, dass sie in wenigen Monaten ein Studium für Gesang, Tanz und Schauspiel in Wien antreten wird.

Wie es zu diesem Entschluss kam, welche schönen und herausfordernden Momente der Beruf als Musical-Darstellerin, Schauspielerin, Tänzerin, … (und das ist nur ein Auszug) mit sich bringt und welchen Bezug sie zur Mühlviertler Alm hat, hat sie uns vor kurzem erzählt!

Jugendtankstelle (JTS): Liebe Melanie! Danke gleich mal vorweg, dass du dir die Zeit nimmst und uns in dein Künstlerinnen-Leben als Schauspielerin, Sprecherin und Tänzerin, … mitnimmst. Also, wie kann man sich deine derzeitige Lebenssituation vorstellen, in welchen Produktionen bist du gerade zu sehen und wo wohnst du eigentlich?

Melanie: Gerne. Wie ihr euch denken könnt, ist es seit einem Jahr für und um Kulturschaffende sehr dunkel geworden. Durch die Pandemie-Situation wurden auch bei mir schon mehr als eine Handvoll Produktionen abgesagt oder verschoben. Umso mehr freut es mich aber, wenn ich dann wieder meinen Beruf ausüben kann. So habe ich im Sommer in Bad Segeberg (nördlich von Hamburg) beim Live-Hörspiel „Winnetou – Das Gold der Rocky Mountains“ die weiblichen Rollen verkörpern dürfen. Das war sozusagen das Ersatzprogramm für die jährlichen Karl-May-Spiele, welche mit rund 14.000 Zuschauer*innen pro Tag, auch diesen Sommer nicht stattfinden konnten.

Im Anschluss daran habe ich mich auf eine etwas längere Wanderschaft begeben. Seit Oktober gastiere ich wieder einmal am Stadttheater in Klagenfurt und spiele da die Rolle MOWGLI in „Das Dschungelbuch“. Außerdem freue ich mich auf die Kinopremiere im November von „Operation White Christmas“, einer Weihnachts-Action-Komödie (Regie: Flo Lackner, Monafilm) für die ich Anfang des Jahres gedreht habe. Eine ARD-Komödie für die ich 2020 gedreht habe und eine ARD-Serie für die ich dieses Jahr vor der Kamera stand, sollten auch demnächst ausgestrahlt werden.

Und zu meinem Lebensmittelpunkt… Dieser ist seit 2016 in Hamburg. Meinen Wohnsitz im Mühlviertel habe ich jedoch auch behalten. Ich pendle also zwischen Deutschland und Österreich.

Jugendtankstelle (JTS): Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass du diesen Weg eingeschlagen hast?

Melanie: Geschichten erzählen, Geschichten (vor)spielen, Geschichten erfinden, Menschen zum Lachen bringen, singen, tanzen, Musik, Malen, auf jede erdenkliche Art und Weise kreativ sein, das war für mich schon immer das Schönste und Sinnvollste. Noch während meiner Schulzeit in Unterweißenbach, im Alter von 12 Jahren, machte ich die Aufnahmeprüfung für die MTA (Musical-Theatre-Academy) in Linz-Puchenau, unter der damals großartigen Leitung von Nicola Howes. Dort blieb ich auch während meiner Schulzeit an der BBAKIP Linz. Mit 18 Jahren begann ich zusätzlich noch meine Tanzpädagogik- Ausbildung am Perfomdance Linz. Mit 19 Jahren war ich dann Kindergarten-, Hort- und Tanzpädagogin und übernahm daraufhin eine wunderbare Gruppe Kinder im Kindergarten Schönau. Meinen Drang am Theater zu arbeiten und auf der Bühne zu stehen, konnte ich jedoch nicht abschütteln.

So entschied ich mich, an der Aufnahmeprüfung am Performing Center Austria teilzunehmen. Ich dachte mir: „Es wird schon so kommen wie es soll!“ – dazu passt auch ganz gut das Motto meines Kindheitsidols Pippi Langstrumpf: „Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!“.

JTS: Und Pippi sollte recht behalten…

Melanie: Ja genau! Mit dem Vertrag in der Tasche fuhr ich wieder zurück ins Mühlviertel und trat wenige Monate später mein Studium für Gesang, Tanz und Schauspiel an.
2013 erhielt ich meinen Abschluss und absolvierte die Bühnenreifeprüfung vor der paritätische Prüfungskommission im Raimund Theater Wien. Alsdann – „raus auf die Bretter, die die Welt bedeuten“! Mein Kindheitstraum wurde wahr.

JTS: In welchen Rollen und bei welchen Produktionen hast du bisher Bühnenerfahrung sammeln dürfen?

Melanie: Bühnenerfahrung durfte ich bereits vor und während meinem Studium sammeln. Seit ich diesen Weg eingeschlagen habe, gibt es so viele besondere Momente, an die ich mich gerne zurück erinnere. Jede Produktion und Rolle hatte bisher etwas einzigartiges oder spektakuläres an sich, sei es, dass ich am Kalkberg in Bad Segeberg bei den Karl-May-Spielen in jeder Show auf/mit einem Stunt-Pferd durch den Zuschauerraum mit 7.000 Leuten galoppiert bin, oder ich beispielsweise in der Royal Albert Hall in London in einem Kostüm rein aus Spiegeln und Glas performt habe, oder ich für einen Dreh in einer „futuristischen“ Landschaft in Rumänien gegen 200 Komparsen „gekämpft“ habe. Es gibt ganz viele wunderbare Erinnerungen an vergangene Produktionen. Unvergessen bleibt für mich aber vor allem die Arbeit mit der Broadway-Größe Baayork Lee für das Stück „A Chorus Line“ am Stadttheater Klagenfurt.

JTS: Das alles klingt neben der körperlichen Leistung auch nach ganz schön viel Denkarbeit. Wie schaffst du das? Was machst du um „am Ball“ zu bleiben?

Melanie: Man ist nie fertig ausgebildet, wie ich finde. Ich nehme nach wie vor Schauspiel- und Gesangsunterricht, übe, trainiere und versuche mich an verschiedenen Techniken und besuche Workshops. Mir ist wichtig, dass ich immer „bereit“ bin und mich auf meinen Körper und meine Konzentration verlassen kann. Das erreiche ich mit regelmäßigem Training für Kraft, Ausdauer und Koordination, in Kombination und abwechselnd mit Dehnen, Yoga und Tanztraining, sowie Gesangs-Übungen, Kameratraining, Stimm- und Atemübungen, Meditation, dem Lesen und Erarbeiten von Texten und Liedern, um mein persönliches Repertoire frisch zu halten.
Obwohl ich von einer tollen Agentur vertreten werde, bringt es mein Beruf und meine Selbstständigkeit mit sich, dass ich für mich selbst oft auch als Managerin, Telefonistin, Buchhalterin, Agentin, Pflegerin, Therapeutin, Maskenbildnerin, Friseurin, Ernährungsberaterin, Kamerafrau und Editorin tätig bin.

„Es handelt sich nicht nur um Kunst, sondern auch um ein Handwerk, das gepflegt werden und sich weiterentwickeln muss.“

JTS: Hast du bei so viel Vorbereitung dann überhaupt schon Hopplas erlebt?

Melanie: Hopplas kommen natürlich auch schon mal vor, seien es kleine Textversprecher, oder fehlende Requisiten, Kolleg*innen, die ihre Auftritte verpassen oder zu früh auf der Bühne stehen, bis hin zu größeren Hopplas wie Bühnenunfälle.
So habe ich mir nach einem Zusammenstoß auf der Bühne auch schon eine Gehirnerschütterung zugezogen oder musste mich einer Fuß -OP unterziehen, nachdem unbeabsichtigterweise der Schuhabsatz einer Kollegin darauf landete. So spielte ich in einem Stück auf Grund einer Bindehautentzündung mit einer Sonnenbrille, in dem zeitlich gesehen die Sonnenbrille noch gar nicht erfunden wurde. Und bei der Premierenvorstellung an der Staatsoper Hannover wurde ich binnen Sekunden von drei Ankleiderinnen gleichzeitig in mein Bühnen-Kleid genäht, da der Reißverschluss bei einer Hebefigur kaputt ging.

JTS: Wer dich kennt, weiß, dass dir gesellschaftspolitische Themen ein großes Anliegen sind. So hast du erzählt, dass du rückblickend im Kindesalter fast ausschließlich von Männerrollen fasziniert warst – Männerrollen als Ausdruck von Stärke, Coolness und Macht.

Melanie: Männerrollen waren für mich immer am bedeutendsten, sie konnten einfach alles. Kein Wunder, haben uns noch in den 90ern und 2000ern Medien und Gesellschaft dieses Bild in die Köpfe gepflanzt. Mittlerweile sehe ich die Dinge natürlich klar und spiele vor allem gerne Frauenrollen. Obwohl es für Frauen in diesem Business immer noch weniger Rollen gibt, sie in gewissen Altersphasen nicht besetzt werden, sie meist für gleiche Arbeit weniger Gehalt bekommen und die geschriebenen Figuren nicht zu selten mit schlechten Klischees gefüttert sind.
„Alles, was von Männern über Frauen geschrieben wurde, muss verdächtig sein, da sie zugleich Richter und Partei sind.“(Poulain de la Barre).
Es beschäftigt mich sehr, dass es in der heutigen Gesellschaft immer noch Probleme bei der Umsetzung der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gibt und den Frauen oftmals Rollen zugeteilt und aufgedrängt werden, die es ihr kaum gelingen lassen, die Hauptrolle in ihrem eigenen Leben zu spielen.

JTS: Du hast zu Beginn schon die Auswirkungen von Corona auf dein Berufsleben bzw. auf deine Berufswelt kurz angesprochen. Wie gehst du mit so schwierigen Zeiten um? Hast du auch schon mal daran gedacht, das Handtuch zu werfen?

Melanie: Diese Corona-Zeit zwingt einem manchmal unschöne Gedanken auf, doch nach mehrerem Hinterfragen und dem Durchspielen verschiedener Szenarien, komme ich immer wieder ganz klar darauf zurück, dass es für mich kein Aufhören gibt. Dafür liebe ich diesen Beruf zu sehr, mit allem was dazu gehört.
Es schließt ja nicht aus, neugierig zu bleiben und den Blick zu erweitern und auch andere berufliche Bereiche miteinfließen zu lassen.

JTS: Derzeit bist du in der Rolle MOWGLI in „Das Dschungelbuch“ am Stadttheater Klagenfurt zu sehen. Daraus ergeben sich natürlich ganz klar zwei Fragen: 1. Lieblingsmusical? 2. Traumrolle?

Melanie: Wenn drei Antworten gelten ;-)…  Lieblingsmusicals: Chicago, West Side Story, A Chorus Line. Und meine Musical-Traumrolle: Alex Owens aus Flashdance!

Und ehrlich gesagt würde ich eine Marvel-Action-Figur auch nicht ablehnen 😉

JTS: Liebe Melanie! Danke, dass du dir Zeit genommen hast, unsere Fragen so ausführlich zu beantworten! Wir wünschen dir viel Freude und Erfolg bei deinen jetzigen und natürlich auch weiteren Produktionen. Hoffentlich kommen wir auch mal in den Genuss, dir beim Arbeiten zuzuhören und -sehen!

Melanie: DANKE!!!!

Website von Melanie

Bildrechte „Das Dschungelbuch“: Helge Bauer
Weitere Bildrechte im Beitrag: Privat

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Die Jugendtankstelle ist beruflich in der Jugendarbeit angesiedelt ;-). Es ist ihr ein besonderes Anliegen, den jungen Almbewohner*innen ein Mehr an Aktivitäten, Möglichkeiten, Perspektiven und Denkweisen auf und rund um die Mühlviertler Alm zu bieten.

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